Zwei Wochen in Japan: Eine kulinarische und kulturelle Odyssee

Philipp Hämmerli | 18. Dezember 2023

Nach vier Jahren Abstinenz, war es höchste Eisenbahn die Fortschritte in der japanischen Fish & Seafood-Industrie zu begutachten. In Aufzuchtstationen, Aquakulturen, Verarbeitungsanlagen, Tiefkühlhäusern und spezifischen Fischrestaurants sammelten wir zahlreiche Eindrücke, um die Geschäftsmodelle etwas tiefgründiger zu verstehen. Wir knüpften neue Kontakte und erfuhren eine noch nie dagewesene Transparenz der Unternehmen. Die Sprachbarriere hat sich merklich verringert und Japan scheint sich unserer Impression nach stärker zu öffnen. Lesen Sie nachfolgend ein paar spezifische Ausschnitte unserer Reise.

Die ersten 24 Stunden verbrachten wir in der Industrieregion Funabashi, nordöstlich vom Zentrum Tokios. Nach der Anreise testeten wir gleich die Qualität einer Billig-Sushi-Kette, die an der Börse kotiert ist und zu unserem Fish & Seafood-Universum gehört. Zehn Tage später erfuhren wir vom Finanzanalysten, der die Kette abdeckt, dass wir ein altes Ladenkonzept besucht haben. In der urbanen Zone hatte es gleich zwei neu designte Läden um die Ecke, jedoch hätten beide Warteschlange 60 wertvolle Minuten Zeit geraubt. Wir erhaschten einen kurzen Blick und sahen den Unterschied bezüglich Digitalisierung. Das Förderband wird neu als Kartoon auf einem grossen Bildschirm an jedem Tisch angezeigt, während das Förderband verdeckt verläuft. Die Ladenkette hatte mit einem Bubenstreich, der auf Social Media viral ging, zu kämpfen. Die Knaben hatten Essen angeleckt und wieder aufs Förderband gelegt. Was es nicht alles für Risiken beim Anlegen gibt…

Förderband nach altem Design in einer Sushi-Kette. Quelle: Bonafide

Ohne das Sashimi abzulecken, ging es am nächsten Tag weiter mit der Besichtigung eines Tiefkühllagerhauses. Die umgeschlagenen Lebensmittel entsprechen vom Volumen her etwa 600 Millionen Mahlzeiten pro Jahr. Es würde ausreichen, um jeder Person in der Metropolregion Tokio (über 40 Millionen Einwohner) pro Jahr 15 Gerichte aufzutischen. In den Räumen wo -23 Grad herrschten, kriegten wir einen Vorgeschmack auf den Winter in Europa. Später besichtigen wir eine 2014 fertiggestellte Fabrikanlage desselben Unternehmens, welche Tiefkühlprodukte herstellt. Nebst der Tiefkühllogistik ist die Lebensmittelproduktion das zweite Standbein der Firma und trotz schrumpfender Bevölkerung in Japan, wächst das Segment aufgrund der fehlenden Zeit zum Kochen.

Mäntel gegen die Kälte im Tiefkühlhaus. Quelle: Bonafide

Am selben Tag flogen wir nach Matsuyama, wo im Südwesten der Insel Shikoku die Besichtigung einer Thunfischfarm anstand. Die Blauflossenthunfische bewegen sich wieselflink im Gehege, sind aber wuchtig. Ein Exemplar, welches geerntet wurde und etwa 4 Jahre alt war, wog über 82 Kilogramm. Bei einer Portionengrösse von 150 Gramm wären das beinahe 550 Mahlzeiten. Dass die Japaner Meister im Verwerten aller Fischstücke sind, zeigte sich, als in einem ausgewählten Restaurant uns das Herz eines Thunfisch als Delikatesse aufgetischt wurde. Ein Abstecher an eine Aufzuchtstation lag am selben Tag gerade noch drin. In dieser Anlage werden die Kleinfische vom Schlüpfen bis auf 5cm gross gezüchtet. Leider waren die Blauflossenthunfische gerade nicht «Saison», dafür konnten wir winzige Gelbflossenmakrelen betrachten.

Erntefrischer Blauflossenthunfisch auf einer Farm. Quelle: Bonafide

Zur Halbzeit der Reise befanden wir uns in der Präfektur um Kagoshima, wo der aktive Vulkan Sakurajima beheimatet ist. Rund um den Vulkan herum befinden sich in der Kagoshima-Bucht zahlreiche Farmen. Wir besuchten den grössten Betreiber, der seine Käfige an sechs verschiedenen Standorten hatte. Der Wellengang, insbesondere bei Stürmen oder Taifuns lässt in dieser Region die vollautomatisierte Fütterung leider nicht zu. Die Stationen im Wasser wären zu exponiert, da haben die Norweger mit den Fjorden gewisse Vorteile. Da regelmässig Haie in der Bucht schwimmen, nutzt man gezwungenermassen Metallkäfige. Eine vom Staat teilsubventionierte Innovation sind neue, grosse Kupferkäfige. Der Vorteil, der mit Kupfer versehenen Käfige, ist, dass weniger Krankheitserreger und sonstige Algen und Muscheln festsetzen können. Man erhöht nicht nur die Tiergesundheit, sondern kann auch auf die regelmässige Reinigung verzichten.

Farm und Arbeitsschiffe vor dem Vulkan Sakurajima. Quelle: Bonafide

Im Süden der Grossinsel Kyushu befindet sich mit dem Kaimon-dake ein weiterer aktiver Vulkan in der Region. Etwa 15 Kilometer weiter westlich durften wir eine landbasierte Shrimp-Zucht besuchen, die mit der Biofloc-Technologie ausgerüstet ist. Statt mit energieintensiven Biofiltern das Wasser zu säubern, kommen natürliche Mikroorganismen direkt bei den Shrimps zum Einsatz. Sie reinigen das Wasser und produzieren im Prinzip Futtermittel für die Shrimps. Es bildet sich dadurch eine teilweise verselbständigte, zirkulare Ökonomie im Ponds. Gleich neben der Shrimp-Anlage befindet sich die wohl fortschrittlichste Hatchery für Meeresfische in Japan. Sie wurde 2014 aus dem Boden gestampft und kann drei Millionen Kleinfische pro Jahr liefern. Es ist Teil einer integrierten Wertschöpfungskette für Hamachi, der in die Familie der Gelbflossenmakrele gehört.

Aufzuchtstation für Hamachi mit modernster Technologie. Quelle: Bonafide

In der Präfektur Miyazaki stand am nächsten Tag die Besichtigung der Aquakulturen in der Shibushi Bay auf dem Programm. Besonders eindrücklich war, dass sie wegen dem Wellengang seit Jahren die Käfige etwa acht Meter unter der Wasseroberfläche halten. Dort sei die Bandbreite der Wassertemperatur geringer, kann es doch an der Wasseroberfläche im Sommer bis zu 30 Grad warm werden. Je mehr die Temperaturen ausschlagen, desto mehr ist der Fisch Stress ausgesetzt. Die Farmen sind seit wenigen Jahren ASC-zertifiziert, da die Endprodukte neuerdings auch nach Europa verschifft werden. Die Verarbeitungsanlage desselben Unternehmens verarbeitet jeden Tag etwa 25 Tonnen Fisch aus der eigenen Produktion. Im Gegensatz zur Konkurrenz können sie ihren Fisch jeden Tag in der gewünschten Menge liefern. Besonders in Monaten, wo kein Wildfang jener Spezies auf dem Markt angeboten wird, erzielen sie dadurch gute Preise. Die Sicherheit einer stetigen Lieferung wird von Restaurants weltweit geschätzt.

Fütterung bei Aquakulturfarm in der Shibushi Bay. Quelle: Bonafide

Wenn mal eine kurze Verschnaufpause anstand oder der Hunger uns traf, besuchten wir grosse und kleine Supermärkte auf der Suche nach uns bekannten Produkten. Besonders überrascht hat uns das Tiefkühlsortiment, wo die japanischen Titel in unserem Anlageuniversum mit einer vielfältigen Auswahl dominierten. Beeindruckend waren stets auch die Preise in Yen. Die Abwertung der japanischen Währung ist für ausländische Touristen ein Segen. Für die Bevölkerung wird es zunehmend enger mit dem Budget, aber für die Lebensmittel scheint das Geld noch zu reichen. Dies ist in den rapportierten Zahlen der Unternehmen ersichtlich.

Tiefkühlprodukte von Nissui und Nichirei im Supermarkt. Quelle: Bonafide

Die letzten Tage verbrachten wir in Tokio, wo nebst zahlreichen Treffen mit Investoren, Analysten und Unternehmen auch der Besuch einer landbasierte Lachszucht vorgesehen war. Nur zwei Autostunden vom Zentrum Tokios entfernt und in unmittelbarer Nähe zum Mount Fuji haben sich Norweger niedergelassen. In einer riesigen Halle mit Tanks, die einen Durchmesser von 18 Meter ausweisen, sollen ab 2024 atlantische Lachse die Fischmärkte in Japan erreichen. Während in der Aufzuchtstation die Fingerlinge und Smolts bereits schwimmen, finden noch die letzten Feinschliffe in den grossen Modulen statt. Geplant sind jährlich 5'300 Tonnen herzustellen, was in Portionengrösse über 35 Millionen Lachsmahlzeiten entspricht.

In der Aufzuchtstation des Unternehmens herrscht bereits reger Betrieb. Quelle: Proximar Seafood

Ein Highlight aus der Reise herauszupicken ist schwierig. Was uns jedoch immer überzeugt hat, ist die Qualität der Mahlzeiten. Geschmacklich haben uns die Speisen, ob günstige Nudelsuppe in einer Metrostation oder Sushi beim Spezialisten, stets positiv überrascht. Die japanische Küche hat Kultur und Tradition. Kein Wunder breiten sich die Gerichte aus dem Land der aufgehenden Sonne weltweit aus. Nun müssen nur noch die japanischen Aquakulturunternehmen beginnen, die eigenen Qualitätsprodukte ins Ausland zu exportieren. Und der Trend zeigt in die richtige Richtung. Mehr dazu in unserem separaten Blog: Wagyu und Kobe Beef bald aus japanischen Gewässern?

Schön aufgemacht und stets lecker: Seafood aus Japan. Quelle: Bonafide

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