Plastikverschmutzung in den Ozeanen

Christoph Beierl | 22. September 2022

Koalition für globalen Plastikvertrag

Am 21. September 2022 kündigten die Ellen MacArthur Foundation und der WWF die Einberufung der «Business Coalition for Global Plastics Treaty» an. Nach den letztjährigen Bemühungen, die Vereinten Nationen zu einer Einigung über die Entwicklung eines internationalen Rahmenvertrags zur Regulierung des Kunststoffkreislaufs zu bewegen, die im März 2022 in einer UNEA-Resolution mit dem Titel «End Plastic Pollution: Towards an international legally binding instrument» führte, zielen die diesjährigen Bemühungen darauf ab, eine klare und einheitliche Stimme von Unternehmen, Finanzinstituten und NGOs in die Vertragsverhandlungen einzubringen, um die Entwicklung eines wirksamen und ehrgeizigen Vertrags zu unterstützen.

Die Koalition unterstützt dabei insbesondere folgende Schlüsselelemente:

  • Ein Zeitplan für den Ausstieg aus problematischen Kunststoffen
  • Anreize für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft
  • Mechanismen zur Gewährleistung einer zweckgebundenen Finanzierung für die Sammlung und Verwertung von Kunststoffen nach ihrer Verwendung
  • Instrumente zur Unterstützung der Umsetzung und Überwachung der Fortschritte

Um besser zu verstehen, warum ein solches Abkommen überhaupt notwendig ist, wird nachfolgend im Artikel ein genauerer Blick auf die derzeitige und künftige weltweite Plastikproduktion geworfen, auf die Art und Weise, wie mit Kunststoffen umgegangen wird, wie sie sich auf unsere Gesundheit und natürlich auch auf die Ozeane sowie Seafood auswirken. Weitere Einzelheiten über die Koalition und ihre Ziele finden Sie hier.

Plastikverschmutzung in einem "Business-as-usual"-Szenario

Derzeit werden weltweit jedes Jahr etwa 220 Millionen Tonnen Plastik produziert, von denen nur 15% ordnungsgemäss recycelt werden. Weitere 15% werden durch Verbrennung beseitigt, der Rest wird entweder im Freien verbrannt oder auf Deponien gelagert, von wo aus der Müll nach und nach in die Umwelt gelangen kann. Infolgedessen gelangen jedes Jahr etwa 11 Millionen Tonnen Kunststoff in die Ozeane - 10 Millionen Tonnen Makroplastik und 1 Million Tonnen Mikroplastik. Die Pew Charitable Trusts und SYSTEMIQ schätzen, dass der Anteil des Makroplastiks, der absichtlich in Flüsse und Meere entsorgt wird, sogar Werte bis zu 60% erreichen soll. Dies allein sollte ausreichen, um zu verstehen, dass ein globaler Mindeststandard dringend erforderlich ist.

Leider wird sich die Situation in einem "Business-as-usual"-Szenario in Zukunft nur noch weiter verschlechtern. Allgemein wird erwartet, dass sich die Plastikproduktion in den kommenden 20 bis 30 Jahren knapp verdoppeln und damit praktisch die einzige wirkliche Wachstumsquelle für Ölproduzenten darstellen wird. Da ein Grossteil der Zunahme des Kunststoffverbrauchs dabei aufgrund von Bevölkerungswachstum und steigendem Pro-Kopf-Plastikverbrauch in Ländern mit weniger fortschrittlichen Abfallbewirtschaftungssystemen stattfinden wird, wird erwartet, dass sich der Plastikzufluss in die Ozeane sogar verdreifachen und die Gesamtmenge des im Meer angesammelten Kunststoffs sich ungefähr vervierfachen wird. Im Hinblick auf den Klimawandel bedeutet dies auch, dass etwa 20% des CO2-Budgets für das 1,5‑Grad-Ziel allein durch Plastik verbraucht werden.

Mikroplastik und seine Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

Während grössere Plastikteile vor allem für Tiere eine Gefahr darstellen können, ist Mikroplastik für den Menschen von weitaus grösserer Bedeutung. Mikroplastik wird allgemein als Kunststoffpartikel mit einer Grösse von 0,1 bis 5’000 Mikrometer (d.h. 5 mm) definiert. Sie können in zwei Kategorien eingeteilt werden: primäres und sekundäres Mikroplastik. Während primäres Mikroplastik direkt als Mikroplastik in die Umwelt gelangt, entsteht sekundäres Mikroplastik nach und nach durch den Abbau grösserer Kunststoffabfälle.

Synthetische Textilien (35%), Reifenabrieb (30%), der mit der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen nur noch zunehmen wird, und Stadtstaub (25%) stellen dabei bei weitem die Hauptquellen für primäres Mikroplastik dar.

Studien, die Mikroplastik (und auch Nanoplastik) zum Gegenstand hatten, sind allgemein noch recht selten, so dass es schwierig ist, diesbezüglich zuverlässige Aussagen zu treffen. Studien, die behaupten, Plastikpartikel in menschlichem Blut und Lungen gefunden zu haben gibt es jedoch bereits. Ebenso gibt es Studien, die die Aufnahme von Mikroplastik durch Menschen im Rahmen des routinemässigen Verzehrs von Lebensmitteln und Getränken mit bis zu 5 Gramm pro Woche beziffern – das entspricht in etwa dem Verzehr einer Kreditkarte.

Kann das gesund sein? Wahrscheinlich nicht, nein. Ist es ungesund? Zumindest nicht auf offensichtliche Weise in den derzeitigen Konzentrationen. Im Allgemeinen gibt es drei Bestandteile von Kunststoffen, die uns Menschen schaden können. Der Kunststoff selbst, Zusatzstoffe im Kunststoff, wie Antioxidantien, UV-Stabilisatoren, Weichmacher oder Flammschutzmittel, und Krankheitserreger, die den Kunststoff umgeben. Zwar gibt es Studien, die negative Auswirkungen auf menschliche Zellen zeigen, wie z.B. Entzündungsreaktionen, doch wurden diese Studien in der Regel mit unnatürlich hohen Konzentrationen von Kunststoffen durchgeführt, die weit über das hinausgehen, was wir unfreiwillig zu uns nehmen könnten. Das alte Sprichwort, dass die Dosis das Gift macht, scheint also zumindest teilweise zuzutreffen, obwohl Toxizität sicherlich auch eine Rolle spielt.

Ein Lebensmittel, von dem oft angenommen wird, dass es besonders hohe Konzentrationen an Plastik enthält, ist Seafood. Deshalb hat sich die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2016 daran gemacht, die Menge an Kunststoffen und Zusatzstoffen zu berechnen, die in einem Worst-Case-Szenario über Meeresfrüchte aufgenommen werden könnte. Sie untersuchten Muscheln, die wir – im Gegensatz zu den meisten Fischen - mitsamt ihrem Magen-Darm-Trakt verzehren und die daher mehr Kunststoffpartikel enthalten sollten als die meisten anderen Meeresfrüchte. Das Ergebnis zeigt, dass selbst der Verzehr von Muscheln völlig unbedenklich ist. Ausgehend von der höchsten in Miesmuscheln gefundenen Menge an Mikroplastik könnte eine Portion von 225 Gramm Miesmuscheln nur 7 Mikrogramm Plastik und weniger als 0,1% der Zusatzstoffe enthalten, denen der Mensch üblicherweise über die Nahrung aus anderen Quellen ausgesetzt ist (wobei Wasser aus Flaschen hierbei zu den Hauptverursachern gehört). Die Besorgnis über Meeresfrüchte scheint daher stark übertrieben. In der Luft befindliche Kunststoffe, die in der Regel kleiner sind und daher leichter Barrieren durchdringen können, verdienen eher unsere Aufmerksamkeit.

Schluss mit «Business-as-usual»

Für die Zukunft ist es wichtig, dass sich die Regierungen rasch auf ein ehrgeiziges Abkommen über Plastik einigen und dieses umsetzen, um sicherzustellen, dass sich die Situation nicht weiter verschlechtert. Wie das nachstehende Diagramm zeigt, sind Alternativen zum Business-as-usual-Szenario denkbar, die die Plastikverschmutzung zumindest auf dem derzeitigen Niveau halten. Mit unserer Unterstützung für die «Business Coalition for a Global Plastics Treaty» kommen wir diesem Szenario dabei hoffentlich einen grossen Schritt näher.

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