Schottlands verborgene Opportunität

Philipp Hämmerli | 29. Juni 2023

Ein Kurztrip in die schottischen Highlands ermöglichte Bonafide Treffen mit Experten und Kennern der Seafood-Industrie. Dieser Blogbeitrag erzählt die Geschichte einer typischen Lachszuchtregion und gibt Einblick in das derzeitige regulatorische Umfeld, welches für Kopfschütteln sorgt. Die Chancen für eine Wiederbelebung der schottischen Küstenregionen stehen besser denn je, erfordern jedoch den politischen Mut und Willen zu schnellen Veränderungen, bevor andere Länder den Platz einnehmen.

50 Jahre lang Konsolidierung

In den 80er Jahren herrschte in der schottischen Aquakulturindustrie eine regelrechte Goldgräberstimmung. Progressiv versuchte die damalige Regierung mit staatlichen Zuschüssen die Zucht von Lachsen zu fördern und ein gänzlich neuer Industriezweig ins Leben zu rufen. Subventioniert vom Staat begannen Bauern und Fischer als Nebenerwerb ein paar Fische zu mästen. Es dauerte nicht lange bis der erste «Schweinezyklus» zu einem Überangebot führte, die Preise darauf in den Keller rasselten und von den ursprünglich 220 Züchter noch etwa die Hälfte übrigblieb. Der von links gefürchtete Kapitalismus hatte im Sinne einer Konsolidierung zugeschlagen, dabei war wohl kaum ein Bauer gezwungen die (kostenlose) Lizenz an den Nachbarn zu verkaufen. Die Geschichte mit den Angebotszyklen wiederholte sich mehrmals und bald kauften sich die etwas weiter fortgeschrittenen Norweger ein. Für das heutige Zuchtvolumen von jährlich rund 200’000t zeichnen sich nur noch sechs Unternehmen, fast alle in ausländischem Besitz, verantwortlich.

Schafzucht als “Old Economy”, im Hintergrund eine moderne Lachsfarm in gut fliessendem Gewässer

Kostspielige Regulation

Ein Paradebeispiel von staatlicher Überwucherung liefert die Regulation der Aquakulturen in Schottland heutzutage. Obwohl auf «High-Level»-Stufe die nationale Regierung stets für das aus wirtschaftlich abgelegenen Kommunen stammende und mit Abstand wertvollste Exportgut Grossbritanniens, plädiert, fällt das regulatorische Umfeld durch. Nicht weniger als fünf Behörden sind involviert und sieben verschiedene Gesetze müssen berücksichtigt werden. Eine Koordination oder Zusammenarbeit innerhalb des Staates ist inexistent. Neubewerbungen für Lizenzen, die zahlreiche Gutachten verlangen, sind daher kostspielig und dauern lange. Geben die Behörden dennoch grünes Licht, wird das Gesuch der Öffentlichkeit vorgelegt. Dort reichen bereits 20 Einsprachen aus allen möglichen Ecken und Enden, um ein Komitee einzuberufen, welches die Beschwerden detailliert prüft. Organisationen, denen Massentierhaltung ein Dorn im Auge ist, und neidige Nachbarn spielt das in die Karten. Schwer nachvollziehbare Amtsentscheide, die zum Rückzug der Lizenz führen, tun ihr übriges. In den vergangenen Jahren hat sich einzig ein neues Unternehmen gewagt, neue Lizenzen zu beantragen.

Aus Alt wird…

Wiederbelebung der Küsten

Die «Old Economy» der kleinen, aber ineffizienten Fischkutter in den Küstenregionen dieser Welt bietet den jungen Menschen keine Zukunft. Ausser Schafzucht und Tourismus als Alternativen bleiben nicht viele Optionen übrig, um sich eine Perspektive aufzubauen. Die Abwanderung in die Städte ist auch in Schottland allgegenwärtig. Zahlreiche Häuser dienen nur noch als Ferienwohnung für zwei Wochen im Jahr. Eine wachsende Aquakulturindustrie läge nah, um die Küstenregion wiederzubeleben. Die Unternehmen sind heute bereiter denn je, ihre Investitionen und Produktionskosten, die wiederum Umsatz für Drittunternehmen bedeuten, lokal auszugeben. Sie haben erkannt, wie wichtig der Support und die Prosperität der Kommunen um sie herum ist. Sie schaffen Jobs, zahlen Steuern und bringen Leben an die Küste. Es läge an der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, wo sich heutige Investitionen in eine nachhaltige und wachsende Aquakulturindustrie für alle involvierten Parteien langfristig auszahlen. Dazu gehören auch angemessene Gebühren für die Nutzung von natürlichen Ressourcen, die der Allgemeinheit gehören.

…neu. Bakkaforst investiert Millionen und würde gerne mehr.

Opportunitäten sind da

Vergangenes Jahr publizierte die schottische Regierung einen Industriebericht eines unabhängigen Professors, welcher beauftragt war, anhand Interviews mit verschiedenen Anspruchsgruppen Handlungsempfehlungen für die Regulation der Lachsindustrie auszuarbeiten. Seine Empfehlung innert Jahresfrist eine Vision und gute Rahmenbedingungen auszuarbeiten, liess die Politik unkommentiert verstreichen. Und dennoch verblasst die Hoffnung nicht, dass sich früher oder später etwas ändern könnte, um die Industrie weiterzuentwickeln. Die Gelegenheit für grosse, privat finanzierte Investitionsprogramme in Schottland wurde von Norwegen auf dem Silbertablett serviert, da die Skandinavier ihrer vielversprechendsten Zukunftsindustrie erst kürzlich zusätzliche Steuern von 25% aufbürdeten. Und auch auf den Färöern Inseln wird die Politik gierig und bringt Unternehmen dazu, vermehrt im Ausland zu investieren. Die Kassen der Lachszüchter werden angesichts des niedrigen globalen Angebotswachstum die kommenden Jahre gefüllt sein. Eine intelligente Regierung könnte im jetzigen Umfeld weise Entscheidungen treffen und langfristig für Prosperität an den Küsten sorgen. Es wäre eine «Win-Win-Win»-Situation für Bewohner, Politik und Industrie.

Die «Ronja Star», ein Wellboat mit neuster Technologie in Schottland

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