Unsere «Lessons Learned» aus der Coronapandemie

Philipp Hämmerli | 31. März 2021
Bild Bonafide Team

Vor fast 200 Jahren realisierte bereits Charles Darwin, dass jener am besten überlebt, der die Fähigkeit besitzt, sich den verändernden Gegebenheiten anzupassen. Dazu gehört auch aus Fehlern zu lernen und sie nicht zu wiederholen.

Die durch die Coronapandemie ausgelösten Veränderungen in den Absatzmärkten hat auch uns Lehren ziehen lassen. In diesem kurzen Blog möchten wir auf drei «Lessons Learned» innerhalb unserer Analysetätigkeit eingehen.

Auf Unternehmens-qualität setzen

Die Relevanz von Qualität vermag zwar mancher Investor von seinem Anlageberater nicht mehr hören, aber sie ist in jedem Marktumfeld zentral. Qualität mag unterschiedlich definiert sein. Für uns beinhaltet sie vor allem ein fähiges Management verbunden mit langfristiger Planung und Anpassungsfähigkeit, wenn das Umfeld dies verlangt. Die übrigen Zutaten wie solide Finanzen, bereitwillige Investoren, stetig wachsende Geschäftsbereiche und motivierte Angestellte lassen sich meist durch fähige Führungskräfte erarbeiten. Ein weiterer Qualitätsfaktor, der Unternehmen voneinander unterscheidet sind die Unabhängigkeiten von Dritten. Partnerschaften sind sehr oft sinnvoll, aber in der Krise hat jeder mit seinen eigenen Problemen zu kämpfen. Im Bereich der Proteinproduktion war es für den Erfolg in den letzten 12 Monaten sehr entscheidend, ob man über eigene Verarbeitungs- und Vertriebskanäle verfügt oder nicht.

Wer sich nur auf die Fischzucht konzentrierte, hatte mit schwachen Fischpreisen gegenüber den Verarbeitern das Nachsehen. Wer die Wertschöpfungskette bis zum Absatzmarkt kontrollierte, konnte die Volumen erfolgreich weg von Restaurants hin zu Supermärkten umleiten und als zuverlässiger, innovativer Lieferant neue Kunden gewinnen. Ein anderer unerlässlicher Gütefaktor ist die Kostenkontrolle. Der Produzent mit den tiefsten Herstellkosten wird am längsten in einem Markt mit fallenden Preisen überleben. Die Früchte, die er als einzig verbliebener Akteur bei einer Marktnormalisierung ernten wird, können unvorstellbar sein. Grenzkostenproduzenten sollten daher nur gekauft werden, wenn die steigende Nachfrage über mehrere Jahre den Marktpreis nachhaltig steigen lässt. Ein einzelnes Jahr mit schwachen Absatzpreisen kann bereits den Ruin für eine Gesellschaft respektive deren Aktionäre bedeuten. Qualität ist und bleibt daher das wichtigste Investitionsmerkmal.

Kurzes, kräftiges Wachstum vermeiden

Unter den Qualitätsaspekten haben wir stetig wachsende Geschäftsbereiche erwähnt. Gegenteilig dazu ist eine einzelne kurze und kräftige Wachstumsperiode. In Bezug auf die Erzeugung von Fischproteinen sprechen wir etwa davon, in einem Jahr die eigenen Volumina zu verdoppeln. Dieser Produktionszyklus dauert bei Fischen zwar meist 3-4 Jahre, aber die Biomasse und damit die für den Verkauf verfügbaren Produkte können sich gerade bei kleinen und mittelgrossen Unternehmen innert Jahresfrist schon mal verdoppeln. Geschehen ist dies bei zwei unserer Portfoliounternehmen, die vor der Pandemie für weniger als 4% der Gesamtallokation in unserem grössten Fonds standen. Uns gefielen die Investitionsprofile, denn in einem üblichen Jahr hätte der globale Markt die Zusatzvolumina ohne Preisreaktion absorbiert. Die operative Ausführung dieses kräftigen Wachstums gelang zwar erstklassig, nur war das Timing leider sehr schlecht. Mitten in der weltweiten Coronapandemie, wo einzelne Absatzkanäle gänzlich geschlossen waren, mussten die Verkaufsabteilungen dieser zwei Unternehmen das doppelte Volumen absetzen.

Die verderbliche Ware zurückzubehalten oder einzufrieren war keine Option, denn hohes Wachstum hat Kapital gebunden (Fütterung der Biomasse) und dieses musste entweder reinvestiert oder bei Fremdkapitaleinsatz Finanzinstituten zumindest teilweise zurückbezahlt werden. Die Fische wurden daraufhin unter den Erzeugungskosten verkauft, was schlussendlich für beide Gesellschaften in Eigenkapitalerhöhungen endete. Bei einem der beiden Unternehmen haben wir die Kapitalerhöhung auf dem Tiefpunkt mitgetragen. Die Entscheidung war richtig, notiert die Aktie doch heute mehr als 60% über dem Ausgabepreis. Die zweite Gesellschaft, wo wir den Einschuss von neuen Geldern anderen Investoren überliessen, hat etwas länger von den tiefen Fischpreisen zu leiden. Die Aktie notiert heute 20% unter dem Kurs, wo neues Eigenkapital beschafft wurde. Aus diesen Gewinnverwässerungen nehmen wir mit, dass derart kräftiges Wachstum nur mit begrenztem Fremdkapitaleinsatz erfolgen sollte. Den Führungskräften dieser Gesellschaften etwas vorzuwerfen, wäre jedoch fehl am Platz. Die staatliche Schliessung von Hotels und Restaurants hat es unseres Wissens in dieser Form in Friedenszeiten noch nie gegeben.

Diversifikation in Unternehmen berücksichtigen

Eine dritte «Lessons Learned» zielt auf die Diversifikation eines Unternehmens ab. Das Sprichwort «Nicht alle Eier in einen Korb legen» gilt nicht nur für Anleger, sondern auch für die jeweiligen Unternehmen selbst. Ein erstes Beispiel findet sich in Chile, wo eines unserer Portfoliounternehmen nebst der Lachszucht auch noch regulierten Wildfang betreibt. Der grössere Teil der wild gefangenen Spezies wird zu Fischmehl und Fischöl als Inhaltsstoffe für Tiernahrung verarbeitet. Während sich die Absatzkanäle für den Speisefisch Lachs von einem auf den anderen Tag stark veränderten, blieb der Markt für Tierfutter praktisch unverändert. Dieselben Abnehmer kauften dieselben Mengen ein. Konsumveränderungen würde man hier erst viel später bemerken, wenn die Proteinzüchter die Produktion drosseln würden, was anlässlich der wachsenden Weltbevölkerung eher unwahrscheinlich ist. Die Preise für Fischmehl und Fischöl stiegen sogar leicht an und das diversifizierte Unternehmen konnte die zeitweise defizitäre Lachszucht dank den guten Erträgen im Wildfang querfinanzieren. Wäre die Aquakulturdivision alleinstehend, wäre eine gewinnverwässernde Kapitalerhöhung unumgänglich gewesen. Ein zweites Beispiel einer starken Diversifikation gepaart mit Unternehmensqualität stammt aus Dänemark.

Das von der schlanken Holding-Zentrale geleitete Konglomerat umspannt sechs gänzlich verschiedene Segmente. Der grösste, eigenständige Bereich ist die spezialisierte Fischfutterproduktion, welche für mehr als 50% des Konglomeratumsatzes steht. Ähnlich wie das chilenische Beispiel spürte dieses Segment wenig Gegenwind. Im letzten Quartal 2020 allerdings war das Geschäft mit Garnelenfutter in einem spezifischen Markt beeinträchtigt. Ein anderes kleineres Segment der Holding, das der zyklischen Industrie zugehört, hatte 18 schwierige Monate hinter sich, begann sich aber gegen Ende des Jahres kräftig zu erholen. Zwei weitere Bereiche der Holding, die über spezielle Textilverarbeitungstechnologien verfügen, konnten sich während der Coronapandemie hervorragend adaptieren und dringend benötigte Hygieneprodukte herstellen, sodass sie ausserhalb ihres Kerngeschäfts Rekordgewinne erzielten. In der Summe erzielte die Holding 2020 ein EBIT-Wachstum von 13%. Weiter bezahlte sie Schulden aus dem letzten Investitionsschub 2018 zurück und baute sogar Liquidität für die nächste Investitionsphase innerhalb des Konglomerates auf. Die letzten 12 Monate haben gezeigt, dass Diversifikation in Unternehmen eine wichtige Rolle spielt. Trotz Krisenresistenz ist der Markt bei gewissen kotierten Gesellschaften noch immer nicht bereit, den fairen Wert zu bezahlen. Die Investoren gehen aber nicht leer aus, denn stagnierende Kurse bei gleichzeitig verbesserter Ertragslage bedeuten mehr Ausschüttungen an die Aktionäre. Spätestens bei hohen einstelligen Dividendenrenditen dürften manche Titel auf dem Radar von institutionellen Investoren erscheinen. Den Geduldigen gehört die Welt.

Ihre Meinung interessiert uns!

Was haben Sie für "Lessons Learned" aus dem Krisenjahr?

Haben Sie aufgrund von COVID-19 Ihre Portfolioallokation verändert?

Was bedeutet für Sie "Qualität" bei einem Unternehmen?

Glauben Sie, dass Value-Titel in den nächsten Jahren die bessere Wahl sind?

Es würde uns freuen, wenn Sie einen Kommentar hinterlassen würden.

Bild Clean Sease Futter Verladung

Kommentare

Kaufmann, Patric

08. April 2021

Guten Morgen aus Deutschland,

ich habe mir heute Ihre Argumente und "Ihre Lehren" angeschaut. Wir investieren mit unseren Kunden seit einigen Jahren in Ihren Fonds und ich stehe mit Herrn Baldegger in stetigem Austausch.
Es ist genaus das, was ich für meine Kunden suche und die o.g. Selbstkritik und Ihre Schlussfolgerungen geben mit weiterhin ein gutes Gefühl und lassen meine Überzeugung von Ihrem Produkt auch weiterhin sehr hoch sein.

Besten Dank für den transparenten Einblick! Genau diese Transparenz ist entscheident -gerade in diesen Zeiten.

Viele Grüße und bleiben Sie gesund!

Kempkes, Dieter

01. April 2021

Ich habe bereits im März 2020 begonnen mit der Diversifikation, weg von Banktiteln und mehr zu KMU's im SPI. Erhöhung von gut laufenden Investments mit Tendenz BUY + HOLD. Damit bin ich eigentlich gut gefahren und sehr zufrieden, wie auch mit meinem frühen Investment im Bonafide.
Ich finde, Ihr macht das ausgezeichnet und wünsche Euch weiterhin viel Erfolg und Befriedigung in Eurer Arbeit.