Seaspiracy - was Sie darüber wissen sollten

Christoph Beierl | 28. April 2021
Bild Filmtitel Seaspiracy

Mit der Netflix «Dokumentation» Seaspiracy hat wieder mal ein kritischer Film zum Fischsektor hohe Wellen geschlagen. Dabei sollten auch fachfremden Zuschauern bei der dramatischen Inszenierung, dem aggressiven Interviewstil, oder der einseitigen Beurteilung von NGOs, in der einzig die Selbstjustiz übende Organisation Sea Shepherd gut wegkommt, im Laufe des Films doch deutliche Zweifel an dessen Objektivität gekommen sein.

Wer über etwas mehr Hintergrundwissen zum Thema verfügt, wird dagegen bereits nach rund fünf Minuten, als der Film den Plastik-Tod eines Wales mit der Strandung hunderter Wale in Zusammenhang bringt, gemerkt haben, dass Seaspiracy ein Film sein wird, der von seinen künstlerischen Freiheiten wohl voll Gebrauch machen wird. Zwar spricht der Film durchaus wichtige Themengebiete, wie z.B. Plastikverschmutzung, Beifang, Menschenrechtsverletzungen oder Überfischung, an, stellt die Grössenverhältnisse dabei jedoch oft völlig falsch dar. Welchen Ursprung die präsentierten Zahlen im Einzelnen haben und wie diese korrekterweise lauten sollten, ist dabei zumindest für einige Sachverhalte auf der Website von Sustainable Fisheries bereits kurz zusammengefasst.

Auch bei der Betrachtung der korrigierten Zahlen sollte man sich jedoch bewusst sein, dass es sich dabei meist nur um Durchschnittswerte handelt, die über die Heterogenität des Fischsektors hinwegtäuschen können. Ein Blick auf untenstehende Grafik zeigt z.B. inwieweit angelandete Fangmengen in einzelnen Ländern überwacht werden. Dunkelgrün bedeutet die Fangmengen werden überwacht, während blassgrün bedeutet, dass sie nicht überwacht werden. Die offensichtlichen Unterschiede lassen pauschale Aussagen, wie «Esst keinen Fisch», nur wenig differenziert erscheinen. Viel eher sollte die Konklusion des Films lauten «Esst nur Fisch aus überwachten Beständen», denn überwachter Fisch ist mit grosser Wahrscheinlichkeit auch nachhaltiger Fisch (ein Zusammenhang den wir uns auch im Rahmen unseres Engagements zum Thema Traceability zu Nutze zu machen versuchen).

Bild Karte Nachhaltiger Fisch

Quelle: Sustainable Fisheries

Warum aber macht es uns der Film so einfach die vorgebrachten Anschuldigungen von der Hand zu weisen, wo es doch im Fischsektor wahrlich genug Dinge gibt, die man kritisieren kann und sollte? Der Grund liegt in der Motivation des Films verborgen. Dem Film geht es nicht darum durch konstruktive Kritik Veränderungen im Sektor anzustossen. Ziel von Seaspiracy ist einzig die Zuschauer zum Veganismus zu konvertieren. Und dazu braucht es Emotionen, die sich mit der tatsächlichen Sachlage nicht in ausreichendem Masse generieren lassen. Genau wie schon im letzten Film der Produzenten, Cowspiracy, der auch im Fleischsektor eine vermeintliche Verschwörung von NGOs und Industrie offengelegt zu haben meint.

Abstraktes Bild Erdkugel im Fischernetz

Am propagierten Veganismus selbst gibt es dabei nur wenig auszusetzen. Kein Fleisch, kein Auto und kleinere Wohnungen wären aus Klimaschutzgründen sicher zu befürworten. Wie die Coronakrise aber gezeigt hat, lassen sich Menschen auf Dauer nicht gerne Vorschriften machen. Daher braucht es für diejenigen, die sich nicht einschränken möchten, einen Plan B, der vielleicht weniger ehrgeizig, dafür aber leichter umsetzbar ist. Seafood, mit Fisch als gelegentliche Alternative zu Fleisch und Algen als langfristige Möglichkeit die landbasierte Landwirtschaft zu entlasten (nachdem die notwendigen Technologien von der Lachsindustrie salonfähig gemacht wurden), ist Teil dieses Plan B. Zwar gibt es, anders als im Film behauptet, nachhaltigen Fisch sehr wohl auch bereits heute, das wahre Potential des Sektors zu einer nachhaltigen Lebensmittelversorgung beizutragen, liegt jedoch definitiv noch in der Zukunft verborgen. Bei Bonafide glauben wir fest an die Nachhaltigkeit von Seafood. Mit dem Ziel einer grünen Zukunft, fordern und fördern wir daher stets die nachhaltige Weiterentwicklung des Sektors, auch wenn auf dem Weg dahin manchmal noch etwas höherer Wellengang zu meistern ist.

Bild Netflix Fischerboot

Ihre Meinung interessiert uns:

  • Haben Sie die Dokumentation "Seaspiracy" gesehen?
  • Beeinflussen die Aussagen im Film Ihr Essverhalten?
  • Essen Sie regelmässig "Fish & Seafood"?

Es würde uns freuen, wenn Sie einen Kommentar hinterlassen würden.

Bild Filmmacher Seaspiracy

Active Ownership Bericht 2021

Kommentare

Berg, Christian

31. Mai 2021

Sehr geehrter Herr Beierl,

ich hatte gehofft, dass Sie in dem im Webinar ja angekündigkten Blogbeitrag konkreter auf die in Seaspiracy genannten Daten und Sachverhalte eingehen. So hilft mir das leider nicht bei der Argumentation gegenüber Kunden. Sie hatten im Webinar z.B. erklärt, welchen Anteil Pflanzen an den Futtermitteln haben (im Gegensatz zu der Behauptung im Film, dass die Zuchtfische mit Fischen gefüttert werden). Es ist natürlich eine Menge Arbeit, so etwas zusammenzutragen, aber da Sie doch im Spezialgebiet Fisch unterwegs sind und auch für Nachhaltigkeit stehen, wäre das die Mühe aus meiner Sicht wert.

[Bonafide] Marco Berweger

31. Mai 2021

Sehr geehrter Herr Berg,

Es freut uns, dass Sie unseren Blog zu Seaspiracy gelesen haben und Sie das Thema interessiert. Der Blog soll einen groben Überblick über die in der Dokumentation angesprochenen Themen geben. Wir bei Bonafide befassen uns detailliert mit diesen Branchen-Risiken (Antibiotika, Fischausbrüche, Futtermittel, Tracability, etc.). Kontaktieren Sie uns gerne persönlich für weitere Informationen.

Filomena

19. September 2021

Hi there, I read your blogs regularly. Your story-telling style is witty, keep up the good
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